Bund Deutscher Rechtspfleger in Thüringen
 Bund Deutscher Rechtspfleger in Thüringen
 Bund Deutscher Rechtspfleger in Thüringen

BDR Thüringen Vorstand

Der BDR Thüringen zu Besuch beim Justizminister Dirk Adams

21. Juli 2020

Der Bund Deutscher Rechtspfleger, Landesverband Thüringen stellte sich - vertreten durch die Landesvorsitzendende Barbara Zwinkau und die Jugendbeauftragte Marie-Luise Voigt - am 21.07.2020 dem neuen Justizminister Dirk Adams (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vor. 

Neben ersten allgemeinen Informationen zu Umfang und Inhalten unserer alltäglichen Aufgaben in der Thüringer Justiz und den Besonderheiten unseres Rechtspflegerstudiums wurden die brennenden Themen der notwendigen Verstärkung der Personalausstattung, die Personalgewinnung, Aufgabenübertragungen vom Richter auf den Rechtspfleger und vom Rechtspfleger auf den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die Herausforderungen der Digitalisierung sowie bessere Möglichkeiten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit und der Arbeitsplatzgestaltung (Homeoffice mit Anbindung zum Fachverfahren) besprochen.

Ziele des Justizministers

Justizminister Dirk Adams machte deutlich, dass es zwei besondere Ziele seiner zunächst kurz bemessenen Amtszeit von ca. einem Jahr gibt: Erfolgreiche Haushaltsverhandlungen für die Justiz zu Stellenmehrungen und Stellenhebungen in allen Laufbahnen, besonders für den Bereich der IT. Der Stellenabbaupfad der Landesregierung ist, nachdem die Personalnot immer deutlicher wurde, erst einmal vom Tisch. Als Zweites: das energische Vorantreiben der Digitalisierung in der Thüringen Justiz.

Anliegen des Verbandes

Wir waren uns einig, dass nicht nur Corona deutlich gemacht hat, wie weit die Thüringer Justiz beim Thema Digitalisierung hinterherhängt und dass ein schnelleres Vorankommen dringend notwendig ist. Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass z.B. Telearbeit in der Thüringer Justiz für die Fachverfahren noch ein Fremdwort ist.

Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger werden stets nur nach Bedarf ausgebildet. Der Rechtspfleger ist jedoch ein Allround-Talent und wird entsprechend mit vielen Zusatzaufgaben betraut. Sei es in der Verwaltung, in der IT, in der Aus- und Fortbildung. Dadurch fehlt er an anderen Stellen. In allen Bundesländern ist der Rechtspfleger ein rares Gut. Man kann nur mit Tauschpartnern über Landesgrenzen wechseln. Es gibt einfach keinen freien Markt. Entsprechend kann nicht zeitnah auf besondere personelle Anforderungen reagiert werden. Es braucht 4 Jahre Vorlauf, um einen Rechtspfleger neu zur Verfügung zu haben (Haushalt, Auswahlverfahren, 3 Jahre Ausbildung).

Datenbankgrundbuch als kommende Herausforderung

Ein besonderer Diskussionsschwerpunkt waren die Herausforderungen des Datenbankgrundbuchs (DaBaG), welches ca. 2024 bundesweit eingeführt werden soll. Hierzu übergaben wir unserem Minister einen aktuellen Artikel aus dem Rechtspflegerblatt 2/2020. Diesen können wir an dieser Stelle auch unseren interessierten Kolleg/Innen nur empfehlen, da er die auf uns zukommenden Herausforderungen kritisch betrachtet.

Nach aktuellen Berechnungen des Oberlandesgerichts, würden wir zusätzlich 190 Rechtspfleger brauchen, um die Arbeit in einem Jahr zu bewältigen! Über 10 Jahre verteilt, wären es zusätzlich 19 Rechtspfleger pro Jahr. Berechnungsgrundlage: 15min Arbeitszeit pro Grundbuchblatt für die Umschreibung von rund 1,2 Millionen Thüringer Grundbüchern. Jedes Grundbuch muss neu strukturiert, geprüft und freigegeben werden. 

Personal-/Anwärterplanung für die kommenden Jahre

Das TMMJV hat das erkannt und der Pakt für den Rechtsstaat hätte grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, mehr Rechtspfleger für die Ausbildung in Thüringen zu zulassen, aber die Realität sieht leider anders aus. Ursprünglich sollten 17 Anwärter/innen für Thüringen 2020 ihr Studium beginnen. Dank des Paktes sollten es 29 sein. Tatsächlich können wir dieses Jahr nur 20 Anwärter/Innen in die Ausbildung schicken. Nach harten Verhandlungen wurde mit Hessen, die dafür auch Abstriche machen mussten, dieser Kompromiss gefunden. Die Rahmenbedingungen in Rotenburg lassen keine höheren Anwärterzahlen zu, auch bedingt durch die Corona-Pandemie.  Entsprechende Anfragen an andere Rechtspfleger-Fachhochschulen waren erfolglos, weil alle Länder ihr Personal aufstocken müssen. Ob sich für den 2021 beginnenden Studiengang eine Lösung finden wird, ist noch offen. Da sollten die Thüringer Anwärterzahlen sogar weiter steigen. Justizminister Adams hat versprochen, alle Möglichkeiten zu prüfen und auszuschöpfen, damit wir 2021 die dringend benötigten Rechtspfleger in geplanter Zahl ausbilden können. 

Gleichzeitig wird nach weiteren Möglichkeiten gesucht, die enge Personaldecke etwas zu weiten. Überlegungen zu „Grundbucheinsätzen“ wie nach der „Wende“, sollten wir uns nicht verschließen, da sie nötig werden können, um die uns bevorstehenden Aufgaben zu bewältigen. 

Inzwischen wurden Gespräche mit Kollegen geführt, die zeitnah in den Ruhestand gehen oder schon gegangen sind, ob sie bereit sind länger zu bleiben oder zeitweise zur Arbeit zurückkehren möchten. Dieser Versuch zeigte allerdings bisher wenig Erfolg. 

Als Verband machten wir allerdings deutlich, dass eine erneute Ausbildung von Bereichsrechtspflegern oder die Einstellung von Juristen mit dem Ersten Staatsexamen als Rechtspfleger keine akzeptable Lösung ist. Dafür liegen die im Studium vermittelten Inhalte und die spätere Verwendung zu weit auseinander.

Auf den Rechtspfleger kommen immer mehr Aufgaben zu

Der Bund Deutscher Rechtspfleger wies zum Abschluss daraufhin, dass zusätzliche und neue Aufgaben mit der Einführung der elektronischen Akte auf uns warten. Der Referentenentwurf des BMJV für ein Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts verspricht ebenfalls Mehrarbeit und mehr Zeiteinsatz für uns Rechtspfleger in diesen Rechtsgebieten. 

Die vielen auf uns zukommenden Herausforderungen machen die Notwendigkeit von gut ausgebildetem und vor allem ausreichendem Personal sehr deutlich.

Als Vertreter unseres Verbandes hatten wir im Gespräch den Eindruck, dass der Justizminister dies erkannt hat und sich hierfür in seiner Amtszeit stark machen wird. 

geschrieben von: Barbara Zwinkau und Marie-Luise Voigt

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